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Türkei: Die vergessene Krise

von Florian R.
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türkische Lira

Das Staatspräsident Erdogan den Ausruf getätigt hat: »Allah sei gedankt, eine Wahl steht an; «wollte zwar (offiziell) von niemanden bestätigt werden. Angenommen darf es aber werden. Entbehrt die Tatsache doch nicht einer gewissen Grundlage, bedenkt man die wirtschaftlich mehr als angespannte Lage dieser Nation. Wie aber kommt es, dass ein Land, dass an einem strategisch wichtigen Punkt, dem geografischen wichtigen Schnittpunkte von Okzident und Orient liegt, von einer Krise in die andere schlittert?

Das Haus Erdogan

Zu Recht stellt man sich die Frage, wie es sein kann, dass ein Land, das mit der Wahl Erdogans im Jahr 2002 geradezu euphorische Töne hat vernehmen lassen, plötzlich zu Tode betrübt ist? Woran liegt es, das ein Land, welches willige, Kooperationspartner zur Verfügung stehen hatte, plötzlich am Rande eines Bürgerkrieges steht? Fest steht jedenfalls das die Euphorie, seit einigen Jahren verflogen ist. Stattdessen hat sich neben einer Währung, die sich immer wieder im Sturzflug befindet und nur durch eine Senkung des Leitzinses gerettet werden konnte, das gesamte Land inflatorisch entwickelt. Hierbei lohnt es, einen Blick auf das Machtgefüge des Landes zu werfen. Präsident Erdogan übernahm mit seiner Partei AKP 2002 die Macht und wusste sie von da an stetig auszubauen. Stärke zeigte er vor allem in Bezug auf die Kurdenfrage. Er schickte kurzerhand die Armee zu dem 3 Millionen starken Volksstamm und machte diesen klar das es so etwas wie einen eigenständigen Staat, sprich, ein unabhängiges Kurdistan nicht geben würde. Mord und Totschlag inklusive! Dem »Rest« der Türken gefiel dies. Dem Rest der Welt weniger. Diese verlangte, dass ein Volksstamm dem internationalen Völkerrecht zufolge gewisse Grundrechte zuzuerkennen seien. Erdogan, mittlerweile in der Beliebtheit des Landes neue Höhen erreichend schoss zurück und machte unüberhörbar klar, das er eine Einmischung in die Politik, seine Politik, nicht zulassen werde.

Der Anfang vom Ende?

Die Folge waren Strafzölle, ganze Nationen, die sich von Erdogan abwandten und Heerscharen die auswanderten. Nun stellt es ein Faktum dar, das die Mentalität eines Regierungspräsidenten in dessen Volk wiederzuerkennen ist. Betrachte man doch nur die USA und deren Präsidenten. Aus dem Präsidenten Erdogan wurde das Haus Erdogan. Soll heißen, es krönte sich selbst zum alleinigen Herrscher der Nation am Bosporus. Genau darin liegt die heutige Problematik. Die Problematik einer inflatorischen Wirtschaft. Die Problematik das ein politisches System die Herrschaft in der Hand hält, das von einer Diktatur nicht weit entfernt ist. Diktaturen aber haben die Angewohnheit ein Land zu spalten. Auch wenn sie nach außen hin (möchte der Diktator doch das Gesicht wahren) in seinem Land immer die Sonne scheint. Selbst dann noch, wenn die Wolken eines nahenden Orkans schon lange das Land erreicht haben. Jener Orkan, der bislang vom Hause Erdogan immer wieder abgewendet wurde. Wenn auch nicht immer mit fairen Mitteln und dabei in Kauf nehmend das Menschenleben dabei auf der Strecke blieben. Interessanterweise scheint sich der Mensch vom Schlag eines Erdogans (und derer gab es viele)nicht darüber klar werden zu können, das Diktatur nicht funktioniert. Die Hoffnung das bei diesem Präsidenten der Lernerfolg eintritt, darf bezweifelt werden.

Rabatte und Währungsstützen oder billiger geht es immer!

»Die Türkei schreibt Geschichte!« So war es vor Kurzem in türkischen Zeitungen zu lesen. Dieser Ausspruch, getätigt von Präsident Erdogan im Jahre 2018, sollte auf den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes aufmerksam machen. Diesen »wirtschaftlichen Aufschwung« sah Erdogan herbeigeführt durch Rabatte, die er allen Unternehmen im Lande aufzwang. Diese hatten Rabatte auf ausnahmslos alle Artikel, die ein Unternehmen führte den Konsumenten anzubieten. Tatsache ist, das diese Rabatte, welche bis zu 70 % von ausgesuchten Waren, zwar einen regelrechten Ansturm auf die Läden nach sich zog, nur so lange Konsumenten-Freude zeigen wird, bis die nächste Wahl ansteht. Diese Wahl, welche am 31. März 2019 stattfinden soll, wird zeigen ob Erdogan mit seiner Rabattmarken-Politik erneut den Präsidentenstuhl in Anspruch nehmen kann. Denn, tatsächlich befindet sich das Land in einer wirtschaftlichen Misere, die schlimmer kaum sein könnte. Diese Misere findet sich in der Tatsache begründet, das die Inflationsrate im Oktober des Vorjahres satte 25 % betrug. Die Auslandsverschuldung des Landes, während der mittlerweile 16 Jahre andauernden Herrschaft Erdogans, stieg von 130 auf 450 Milliarden USD. Welches mit als Grund angesehen werden darf, warum 2018 über 850 Firmen Insolvenz anmelden mussten. Tendenz steigend. Wobei zum Ende des Jahres 2018 mehr als 200 Mrd. USD an ausländische Firmen zurückbezahlt hätten, werden sollen. Banken welche sich jahrelang auf ausländische Zuschüsse verlassen haben, erhielten in den vergangenen Monaten eindeutige Absagen, welche die Inflationsgerüchte weiter anheizten. Das diese Zahlen mehr oder weniger unter den Journalisten-Tisch fielen, war zu erwarten. Stattdessen wurden verbilligte Waren an den Mann gebracht und das durchschnittliche Einkommen von 260 auf 325 Euro angehoben. Wer dies als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnen möchte, dem darf zugestimmt werden. Viele der fachlich qualifizierten Arbeitskräfte suchen bereits das Weite und versuchen ihr Glück im Ausland.

Neubeginn und Utopie

»Wunder geschehen immer wieder.« Dieses alte aus den 70er Jahren stammende deutsche Lied möchte man in türkischen Landen nur allzu gerne singen. Jedoch sollte man die Fakten im Auge behalten. Das Land mit seiner schwachen Währung, der negativen politischen und wirtschaftlichen Resonanz, dass dem Land auf breiter Ebene entgegenschallt und der Tatsache das Präsident Erdogans Machthunger nicht weniger geworden scheint, verlangt nach einem Wunder. Fest steht aber auch, das es gelungen ist, eine Opposition entstehen zu lassen. Welche die Zeiten der Zeit erkannt hat und sich zu einem Schulterschluss durchgerungen hat. Von diesem Schulterschluss, angeregt durch den Oppositionsführer Ince und seiner CHP, formierte sich zum ersten Mal, seit 16 Jahren(!) so etwas wie ein politischer Hoffnungsschimmer. Etwas das man bis vor Kurzem noch nicht für möglich gehalten hat. Auch, wenn sich diese Opposition bei den letzten Wahlen mit einer Niederlage konfrontiert sah. Welche nicht zuletzt auf die Einflussnahme Erdogans zurückzuführen sein dürfte. Wie aber könnte nun die weitere Geschichte der Türkei aussehen? Zum einen wäre es denkbar das, bei ausreichender Unterstützung aus dem Ausland, die Opposition faire Wahlchancen hätte. Denkbar wäre es auch das die CHP mit Ince und anderen Oppositionsmitglieder (ein paar davon sitzen noch immer in Haft) die Wahl im März gewinnen könnten. Denkbar aber kaum wahrscheinlich! Ist doch kaum anzunehmen, das ein Präsident, der sich seit vielen Jahren (und mit allen Mitteln) gegen eine Machtenthebung wehrt, sich aus dem Amt verabschieden lässt. Zumindest nicht so lange er noch auf Unterstützung aus dem Ausland, wie auf Unterstützung durch den IWF hoffen darf. So lange er das Volk noch mit Rabatten locken kann und Angst zu schüren versteht, wenn die Rabatt-Euphorie wieder verflogen ist.

Das Fazit

Das türkische Volk wünscht sich nichts sehnlicher, als in wirtschaftlicher und politischer Sicherheit zu leben. Es möchte, so wie es anderen Völkern auch vergönnt ist, sich nicht um haarsträubende Inflationsraten, schwache Gehälter und um eine Militärherrschaft kümmern müssen. Um dies wahrzumachen, um das türkische Wunder zu schaffen, muss es sich auf die alte Weisheit besinnen. Die da besagt: »Die Macht geht vom Volke aus!« Zu wünschen wäre es ihm.

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